Newsletter-Beitrag vom 14.8.2025
- Christoph Janssen
- vor 3 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
«Reigniting the Fire for Cycling»
Zu Beginn möchte ich mich erst einmal für die lange Funkstille entschuldigen. Ich weiss, dass es im Sport – wie auch im Leben – nicht immer nur vorwärts gehen kann. Während meiner Karriere habe ich schon öfters Ziele verfehlt, Trainings abgebrochen und unter Tränen meinen Coach angerufen mit dem Gefühl: Jetzt ist alles vorbei. Doch bis anhin waren selbst die herben Rückschläge – wie mein bereits zweimal gebrochenes Schlüsselbein – nur Kleinigkeiten im Vergleich zum Verlauf dieser Saison.
Nach einem wirklich optimalen Wintertraining in Spanien wollte ich meine schon sehr gute Form noch weiter optimieren. Dafür experimentierte ich mit Höhenzelt und Hitzetraining – und zog mir damit leider den bisher grössten Parkschein meiner Karriere.
Aus meinem Antrieb, mich persönlich, sportlich, in Sachen Sponsoring und auf den sozialen Medien weiterzuentwickeln, neue Projekte zu lancieren und euch regelmässig per Newsletter auf dem Laufenden zu halten, wurde leider absolut gar nichts. Mir fehlte die Kraft auch nur Kleinigkeiten im Alltag zu bewältigen. Doch es kam noch schlimmer: Nachdem ich zu Saisonbeginn noch versuchte, mich von Rennen zu Rennen zu mogeln und dem Team wenigstens einen kleinen Mehrwert zu bieten, war kurz vor der Schweizermeisterschaft endgültig Schluss. Physisch ging gar nichts mehr, jedes Training, jede Stunde auf dem Rad wurde zum Zwang und mein Radsportfeuer war so gut wie erloschen. Aus Respekt vor dem Team und auch der Meisterschaften beschloss ich, die Rennen noch zum Spass mitzufahren und anschliessend zwei Wochen komplett ohne Rad zu verbringen.
Diese Zeit nutzte ich, um meiner Passion für die Berge nachzugehen. Ich wanderte viel, schlief draussen unter freiem Himmel, erlebte eine unbeschwerte Zeit und konnte alte Bekanntschaften auffrischen. Vor allem aber gewann ich ein wenig Abstand vom Radsport.
Die zwei Wochen verflogen, und schon hiess es wieder: Ab aufs Rad. Nur war die Motivation und Freude am Radfahren noch immer nicht zurück. Ich dachte: Okay, drei Tage sind jetzt zäh, dann kommst du wieder in den Rhythmus. Aber das blieb aus. Plötzlich fühlte sich alles anstrengend an: Rituale, die mir seit Jahren in Fleisch und Blut übergegangen waren, kosteten unendlich viel Energie, und auf dem Rad fehlte mir die Leidensfähigkeit komplett. Immerhin hatte ich die Energie, das Problem zu erkennen und nach einer Lösung zu suchen.
Kurzentschlossen fuhr ich mit meinem Skoda, einem Festzelt und Campingmaterial nach St. Moritz, wo ich eine erfrischende Zeit mit meinem Bruder, meiner Mutter und vielen Freunden verbrachte. Der Tapetenwechsel von Dürrenroth – wo ich oft sozial isoliert herumsitze – zum «Lageralltag» in den Bergen war extrem bereichernd. Ich trainierte einfach nach Lust und Laune, meistens auf dem Mountainbike, und entdeckte die Region aus einem ganz neuen Blickwinkel. Auch wenn das Training nicht besonders hart oder strukturiert war, sammelte ich viele Stunden und legte eine solide Basis für die kommenden Blöcke.
Nach zwei Wochen in St. Moritz schob ich noch ein spontanes Wanderwochenende im Tessin ein, bevor ich mich nach einem kurzen Heimaufenthalt ins nächste Abenteuer stürzte. Zu diesem Zeitpunkt war ich tatsächlich wieder so weit, dass ich mich aufs Radfahren einigermassen freute. In Frankreich, der nächsten Destination ging es mit Freunden über die legendäre Tour-Pässe, und als Highlight konnte ich tatsächlich mein erstes einigermassen hartes Intervalltraining abschliessen.
Mit diesem guten Gefühl plante ich die nächsten Wettkämpfe. Leider hatte unser Team zwischen Ende Juni und Mitte August keine grösseren Einsätze, was für mich bedeutete, erneut eine neue Herausforderung zu suchen. Gemeinsam mit meinem Teamkollegen Jakob zog ich deshalb fast zehn Tage lang mit dem Camper meines Vaters durch die Innerschweiz. Wir trainierten viele Stunden, genossen die Bergwelt und trotz des stressigen Van-Lifestyles konnte ich mich im Training wieder an meine Grenzen pushen. Das war das erste Mal seit Langem, dass ich den Drang verspürte erneut Rennen zu fahren.
Die letzten zwei Wochen waren dann eine erste echte Probe: Zuerst das Züricrit – ein hochintensives Kriterium mit unzähligen explosiven Antritten und einem mit World-Tour Profis gespickten Feld. Nicht unbedingt mein Terrain, aber die Atmosphäre am Streckenrand war gigantisch, und ich spürte endlich wieder, warum ich mir tagtäglich im Training so viel abverlange. Eine Woche später war ich dann im Piemont bei einem Gravelrennen am Start – eine Disziplin, die mich seit dem Traka und spätester auch nach meiner MTB-Woche in St. Moritz nicht mehr loslässt. Die Nähe zur Natur, das Wilde, Technische und die Belastungsart, die eher meinen Stärken entspricht, faszinieren mich enorm. Das Rennen selbst lief wegen ein paar dummer Fehler nicht besonders gut, doch das Wochenende mit meinen Teamkollegen war für mich ein echtes Saisonhighlight.
Damit sind wir im Heute angekommen: In den letzten Tagen konnte ich zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder richtig harte Intervalle absolvieren und mich dabei sogar knapp meinen Bestwerten annähern. Entsprechend positiv schaue ich aufs kommende Wochenende in Belgien. Ganz ehrlich: Die Leistung steht für mich immer noch an zweiter Stelle. Ich will endlich wieder Spass am Rennenfahren haben und Teil des Renngeschehens sein. Denn ich bin überzeugt: Wenn die Freude zurück ist, kommt auch die Leistung – und damit definitiv auch das lang ersehnte Ergebnis!